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Vertrag
des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Lippischen Landeskirche

Die Lippische Landeskirche,
vertreten kraft kirchenverfassungsmäßiger Ermächtigung durch die Herren
Landessuperintendent Professor D. Wilhelm Neuser,
Präses Carl Hundertmark,
Kirchenrat Dr. jur. Adalbert von Hanstein, und
das Land Nordrhein-Westfalen,
vertreten durch die Landesregierung und als deren Bevollmächtigte durch
Herrn Ministerpräsidenten Fritz Steinhoff,
Herrn Kultusminister Professor Dr. Paul Luchtenberg,
schließen, geleitet von dem Wunsch, das freundschaftliche Verhältnis zwischen der Lippischen Landeskirche und dem Land zu festigen und zu fördern, zur Ordnung der Rechtsverhältnisse folgenden Vertrag1#:
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Artikel 1

Der Freiheit, den evangelischen Glauben zu bekennen und auszuüben, gewährt das Land Nordrhein-Westfalen den gesetzlichen Schutz.
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Artikel 2

( 1 ) Kirchliche Gesetze und Notverordnungen über die vermögensrechtliche Vertretung der Lippischen Landeskirche, ihrer öffentlich-rechtlichen Verbände, Anstalten und Stiftungen sowie über die Ordnung ihrer Vermögensverwaltung werden dem Kultusminister vorgelegt werden.
( 2 ) Der Kultusminister kann gegen solche Gesetze (Notverordnungen) bei der Lippischen Landeskirche Einspruch erheben, sofern sie eine geordnete Geschäftsführung im Sinne hergebrachter kirchlicher Vermögensverwaltung nicht gewährleisten. Der Einspruch ist bis zum Ablauf eines Monats seit der Vorlegung des Gesetzes (Notverordnung) zulässig. Gegen den Einspruch des Kultusministers kann die Lippische Landeskirche binnen einem Monat seit Eingang unmittelbar Anfechtungsklage nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsgesetze erheben.
( 3 ) Es besteht Einverständnis darüber, dass ein solches kirchliches Gesetz (Notverordnung) nicht eher in Kraft gesetzt werden wird, als bis die Einspruchsfrist ohne Einlegung eines Einspruchs verstrichen oder der Einspruch zurückgenommen oder aufgehoben ist.
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Artikel 3

Art. 2 findet auf die Satzungen der öffentlich-rechtlichen kirchlichen Verbände, Anstalten und Stiftungen mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass an die Stelle des Kultusministers der Regierungspräsident tritt.
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Artikel 4

( 1 ) Unbeschadet der Bestimmungen der Art. 2 und 3 können kirchliche Ämter frei errichtet und umgewandelt werden, falls Aufwendungen aus Staatsmitteln nicht beansprucht werden.
( 2 ) Die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung von Kirchengemeinden und anderen öffentlich-rechtlichen kirchlichen Verbänden erfolgt nach Richtlinien, die zwischen Kirche und Landesregierung vereinbart werden.2#
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Artikel 5

( 1 ) Das Land Nordrhein-Westfalen leistet an die Lippische Landeskirche einen Zuschuss zu den Ausgaben der landeskirchlichen Verwaltung (Dotation) in Höhe von jährlich 102 000,– DM.
( 2 ) Bei der Bemessung der Dotation ist von den Aufwendungen des Landes Nordrhein-Westfalen für vergleichbare persönliche und sächliche Zwecke nach dem Stande vom 1. Juni 1954 ausgegangen worden. Es besteht Einverständnis darüber, dass in Zukunft eintretende Änderungen in der Höhe der vergleichbaren Aufwendungen des Landes bei der Dotation entsprechende Berücksichtigung finden sollen.
( 3 ) Für eine Ablösung der Staatsleistungen gemäß Art. 21 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950 und gemäß Art. 140 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 in Verbindung mit Art. 138 Abs. 1 der Deutschen Verfassung vom 11. August 1919 werden die Leistungen aus diesem Vertrage zugrunde gelegt.
( 4 ) § 2 des Lippischen Gesetzes, die Bildung und Verwaltung eines allgemeinen Kirchenvermögens für die Evangelische Kirche des Landes, die Veranlagung von Kirchensteuern und die Stellung der Kirche dem Staate gegenüber betreffend, vom 12. September 1877 (L.-V. Bd. 17 S. 80) bleibt unberührt. Im Übrigen besteht Einverständnis darüber, dass etwaige sonstige Ansprüche auf Staatsleistungen durch den Zuschuss nach Abs. 1 abgegolten sind.
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Artikel 6

Ohne Anerkennung eines Rechtsanspruchs wird das Land Nordrhein-Westfalen der Lippischen Landeskirche Beihilfen zur Besoldung und Versorgung des Pfarrerstandes im Rahmen und nach Maßgabe der für die übrigen Kirchen in Nordrhein-Westfalen geltenden Grundsätze bereitstellen.
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Artikel 7

Der Lippischen Landeskirche, ihren öffentlich-rechtlichen Verbänden, Anstalten und Stiftungen werden das Eigentum und andere Rechte an ihrem Vermögen in dem Umfang des Art. 138 der Deutschen Verfassung vom 11. August 1919 in Verbindung mit Art. 22 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950 und Art. 140 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 gewährleistet.
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Artikel 8

( 1 ) Zum Vorsitzenden einer Behörde der Kirchenleitung oder einer höheren kirchlichen Verwaltungsbehörde sowie zum Inhaber eines kirchlichen Amtes, mit dem der Vorsitz oder die Anwartschaft auf den Vorsitz einer solchen Behörde verbunden ist, wird niemand ernannt werden, von dem nicht die zuständige kirchliche Stelle durch Anfrage bei der Landesregierung festgestellt hat, dass Bedenken politischer Art gegen ihn nicht bestehen.
( 2 ) Eine Ernennung im Sinne des Abs. 1 liegt nicht vor, wenn der Vorsitz der Behörde mit einem synodalen Amt als solchem verbunden ist oder der Vorsitzende der Behörde von der Synode gewählt wird.
( 3 ) Es besteht Einverständnis darüber, dass als politische Bedenken im Sinne des Abs. 1 nur staatspolitische, nicht dagegen kirchliche oder parteipolitische gelten. Bei etwaigen Meinungsverschiedenheiten hierüber (Art. 13) wird die Landesregierung auf Wunsch die Tatsachen angeben, aus denen sie die Bedenken herleitet. Die Feststellung bestrittener Tatsachen wird auf Antrag einer von Kirche und Staat gemeinsam zu bestellenden Kommission übertragen, die zu Beweishebungen und Rechtshilfeersuchen nach den für Verwaltungsgerichte geltenden Vorschriften befugt ist.
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Artikel 9

( 1 ) Angesichts der in diesem Vertrag zugesicherten Dotation wird ein Geistlicher als Vorsitzender oder Mitglied einer Behörde der Kirchenleitung oder einer höheren kirchlichen Verwaltungsbehörde, ferner als Leiter oder Lehrer an einer der praktischen Vorbildung der Geistlichen gewidmeten Anstalt nur angestellt werden, wenn er
  1. Deutscher im Sinne des Art. 116 des Grundgesetzes ist,
  2. ein zum Studium an einer deutschen Universität berechtigendes Reifezeugnis besitzt,
  3. ein mindestens dreijähriges theologisches Studium an einer deutschen staatlichen Hochschule zurückgelegt hat.
( 2 ) Wird in einem solchen Amt ein Nichtgeistlicher angestellt, so findet die Vorschrift des Abs. 1 zu a) Anwendung.
( 3 ) Bei kirchlichem und staatlichem Einverständnis kann von den in Abs. 1 und 2 genannten Erfordernissen abgesehen werden; insbesondere kann das Studium an anderen deutschsprachigen Hochschulen als den in Abs. 1 zu c) genannten anerkannt werden.
( 4 ) Das an einer anderen deutschsprachigen Hochschule oder an einer holländischen Hochschule zurückgelegte theologische Studium wird auf Wunsch der Kirche entsprechend den Grundsätzen, die für andere geisteswissenschaftliche Fächer gelten, als dem theologischen Studium an einer deutschen Hochschule gleichberechtigt anerkannt.
( 5 ) Mindestens zwei Wochen vor der beabsichtigten Anstellung in einem der in Abs. 1 und 2 bezeichneten Ämter wird die zuständige kirchliche Behörde dem Kultusminister von dieser Absicht und, mit besonderer Rücksicht auf die vorgenannten Anstellungserfordernisse, von den Personalien des in Aussicht genommenen Amtsträgers Kenntnis geben. Bei einer Versetzung auf ein anderes Amt gleicher Art genügt eine alsbaldige nachträgliche Anzeige.
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Artikel 10

( 1 ) Für die Anstellung als Pfarrer gelten die in Art. 9 Abs. 1 zu a), b) und c), für die Anstellung als Hilfsgeistlicher im pfarramtlichen Dienst mindestens die dort zu a) und b) genannten Erfordernisse. Art. 9 Abs. 3 und 4 findet Anwendung.
( 2 ) Alsbald nach der Ernennung eines Pfarrers wird dem Regierungspräsidenten von seinen Personalien, mit besonderer Rücksicht auf Abs. 1 dieses Artikels, Kenntnis gegeben.
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Artikel 11

( 1 ) Die Landesregierung trägt dafür Sorge, dass an der Universität Münster zwei für die Ausbildung reformierter Theologiestudenten vorwiegend geeignete Lehrstühle eingerichtet und besetzt werden.
( 2 ) Vor der Anstellung eines ordentlichen oder außerordentlichen Professors an der Theologischen Fakultät der Universität Münster wird auch der Lippischen Landeskirche Gelegenheit zu gutachtlicher Äußerung in Bezug auf Bekenntnis und Lehre des Anzustellenden gegeben werden.3#
( 3 ) Die der Anstellung vorangehende Berufung, d. h. das Angebot des betreffenden Lehrstuhls durch den Kultusminister, wird in vertraulicher Form und mit dem Vorbehalt der in Abs. 2 vorgesehenen Anhörung geschehen. Gleichzeitig wird die kirchliche Verwaltungsbehörde benachrichtigt und um ihr Gutachten ersucht werden, für welches ihr eine ausreichende Frist gewährt werden wird.
( 4 ) Etwaige Bedenken gegen Bekenntnis und Lehre des Anzustellenden werden von der kirchlichen Verwaltungsbehörde nicht erhoben werden, ohne dass sie sich mit Vertretern der übrigen Kirchen, die von diesen unter Berücksichtigung des Bekenntnisses der befragten Kirche zu bestimmen sind, beraten und festgestellt hat, ob ihre Bedenken überwiegend geteilt werden. Das Ergebnis wird in dem Gutachten angegeben werden. Bei einer ohne Widerspruch der Fakultät erfolgenden Berufung wird die kirchliche Verwaltungsbehörde vor der etwaigen Einleitung des in Satz 1 vorgesehenen Verfahrens durch Vermittlung des Kultusministers in eine vertrauliche mündliche Fühlungnahme mit der Fakultät eintreten, auf Wunsch der kirchlichen Verwaltungsbehörde oder der Fakultät unter Beteiligung eines der evangelischen Kirche angehörigen Vertreters des Ministeriums.
( 5 ) Solange das Gutachten nicht vorliegt, wird eine Veröffentlichung der Berufung nicht erfolgen.
( 6 ) Die Lippische Landeskirche ist berechtigt, eine Anstalt mit Hochschulcharakter zur wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Geistlichen zu errichten und zu unterhalten. Das Recht aus Art. 16 Abs. 2 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950 bleibt im Übrigen unberührt.
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Artikel 12

Die Lippische Landeskirche kann alljährlich in ihrem Gebiet eine Haussammlung zum Besten ihrer bedürftigen Gemeinden ohne besondere Ermächtigung einer Staatsbehörde veranstalten. Die Zeit der Sammlung muss dem Kultusminister vorher angezeigt werden.
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Artikel 13

Die Vertragschließenden werden eine etwa in Zukunft zwischen ihnen entstehende Meinungsverschiedenheit über die Auslegung einer Bestimmung dieses Vertrages auf freundschaftliche Weise beseitigen.
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Artikel 14

Dieser Vertrag soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen möglichst bald in Düsseldorf ausgetauscht werden. Er tritt mit dem Tage ihres Austausches in Kraft.
Zu Urkund dessen ist dieser Vertrag in doppelter Urschrift unterzeichnet worden.
Detmold, den 6. März 1958
gez. Unterschriften
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Anlage

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Bekanntmachung über die Ratifikation des Vertrages des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Lippischen Landeskirche
Vom 4. 6. 1958 (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 267)

Aufgrund des Gesetzes zu dem Vertrag des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Lippischen Landeskirche vom 28. Mai 1958 – GV. NW. S. 2052 – wird hiermit bekannt gemacht, dass der Vertrag ratifiziert worden ist.
Der Austausch der Ratifikationsurkunden hat am 4. Juni 1958 in Düsseldorf stattgefunden. Der Vertrag ist demnach gemäß dessen Artikel 14 am 4. Juni 1958 in Kraft getreten.
„Die Kommentierung zum Detmolder Kirchenvertrag vom 6. März 1958 ist in der Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht (Bd. 6, 3. Heft) abgedruckt. Ein Sonderdruck kann beim Verlag von J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, bezogen werden. Der Sonderdruck ist nicht im Buchhandel erhältlich.“
Die Herausgeber

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1 ↑ geändert durch Kirchengesetz vom 28. November 2000 (Ges. u. VOBl. Bd. 12 S. 93).
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2 ↑ Auszug aus dem RdErl. d. Kultusministers vom 5. März 1965 — III B 2-22-23 Nr. 1268/65 — betr. Staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung von evangelischen Kirchengemeinden: Die staatliche Anerkennung ist im Amtsblatt für den Regierungsbezirk zusammen mit der kirchlichen Urkunde zu veröffentlichen und wie folgt zu fassen: „Die durch Urkunde vom … von … (Bezeichnung der Kirchenbehörde) vollzogene Errichtung (oder Veränderung) der Kirchengemeinde (oder des kirchlichen Verbandes) in … wird für den staatlichen Bereich anerkannt.“
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3 ↑ Vgl. hierzu den Staatskirchenvertrag von 1984 (Nr. 615).